Das sogenannte Embryonenschutzgesetz regelt in Deutschland die Verfahren der künstlichen Befruchtung seit fast dreißig Jahren. Es dient einem wichtigen Zweck: Dem Schutz von Embryonen und somit von ungeborenem Leben. In diesem Feld gilt die deutsche Gesetzgebung als eine der strengsten der Welt. Immer häufiger wird deshalb Kritik an den rigiden Normen laut: Es sei veraltet, nicht mehr zeitgemäß, setze Frauen unnötigen Risiken aus und erschwere ihren Weg zum Kinderglück. In der Tat lassen sich im Embryonenschutzgesetz zahlreiche Widersprüche, Ungereimtheiten und ungerechte Regelungen finden.
Die Samenspende – eine rechtliche Grauzone
Das Spenden von Samen ist in Deutschland legal und eine häufig angewendete Praxis. Auf Spendersamen greifen Paare zurück, bei denen der Mann keine Kinder zeugen kann – oder es bei Singles schlichtweg keinen Mann gibt. Auch für lesbische Paare ist es eine Möglichkeit, sich ihren Traum vom eigenen Babyglück zu erfüllen. Trotzdem bestehen beim Thema Samenspende in Deutschland viele Unklarheiten. Undurchsichtig ist etwa der Aspekt der anonymen Spenden. Auf der einen Seite ist es in Deutschland nicht verboten, als Mann anonym Samen zu spenden. Auf der anderen Seite entschied der Bundesgerichtshof, dass aus einer Samenspende hervorgegangene Kinder unabhängig von ihrem Alter das Recht haben, die Identität ihres Erzeugers zu erfahren.
Der Verein „Spenderkinder“ fordert in ihrem Katalog mit politischen Forderungen sogar die komplette Abschaffung der anonymen Samenspende – jedoch verbunden mit der Forderung, die Spermiengeber gegebenenfalls von der Unterhaltspflicht zu entbinden. Grundsätzlich ist die Gesetzgebung beim Thema Samenspende jedoch undurchsichtig. Bevor man sich dafür entscheidet, bedarf es einer gründlichen Recherche auf beiden Seiten, als Spender und Empfängerin.
Ungleiche Behandlung von Samen- und Eizellspende
Künstliche Befruchtungen mit fremden Samen oder Eizellen gehören in vielen europäischen Staaten – wie z.B. in Spanien zu den alltäglichen Behandlungen. Doch auch in Hinblick auf die Spendenkriterien ist die Gesetzgebung in Deutschland widersprüchlich: Samenspenden sind erlaubt, Eizellspenden dagegen nicht. Diese Vorschrift soll eine „gespaltene Mutterschaft“ verhindern, bei der die genetische und biologische Mutter nicht dieselbe ist.
Argumentiert wird, dass andernfalls das Kindeswohl nicht gewährleistet sei. Zudem kann eine Eizellspende für die Spenderin ein höheres Risiko bedeuten, als für Samenspender. Denn dabei ist eine Hormonstimulation notwendig, die nicht komplikationsfrei sein muss. Die Erfahrungen mit im Ausland durchgeführten Eizellspenden stützt diese Begründung jedoch nicht: Auch in diesen Fällen ist die Bindung zwischen Kind und Mutter eng und liebevoll.
Trotzdem wird die Durchsetzung des deutschen Verbotes streng kontrolliert: noch ist es Ärzten und Beratern nicht erlaubt, die Frauen auf Eizellspenden in Deutschland vorzubereiten oder Kontakte zu vermitteln. Inzwischen zeigt der Fall einer Augsburger Beraterin, die eine Patientin ins Ausland vermittelt hatte und von einer Anklage freigesprochen wurde, dass sich die Ansichten der Gerichte zum Wohle von kinderlosen Menschen öffnen. Immerhin werden jedoch Frauen, die sich ihren Kinderwunsch mit einer Eizellspende im Ausland erfüllt haben, in Deutschland trotz des Verbotes nicht rechtlich belangt. Krankenkassen übernehmen jedoch nur dann die Kosten anteilig, wenn die Befruchtung nach deutschen Richtlinien erfolgte.
Höhere Gefahr von Mehrlingsschwangerschaften und Komplikationen
Das deutsche Embryonenschutzgesetz schreibt vor, dass sämtliche bei einer IVF im Reagenzglas erzeugte Embryonen in die Gebärmutter der Frau übertragen werden müssen. Häufig ist dies die maximal zulässige Anzahl von drei Embryonen. Dies soll verhindern, dass nur der fitteste in den Uterus übertragen wird und dabei eine künstliche Selektion von Leben stattfindet.
Doch das Gesetz bietet nur scheinbaren Schutz: das Einsetzen mehrerer Embryonen bietet zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass aus der Behandlung ein Kind hervorgeht. Doch es steigt auch das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft, was wiederum mit einer größeren Gefahr von Komplikationen und Frühgeburten verbunden ist.
Der internationale Standard dagegen ist der „elective single embryo transfer“, bei dem nur die befruchtete Eizelle mit den höchsten Überlebenschancen verpflanzt wird. Die restlichen Eizellen werden eingefroren oder verworfen. Im Nachbarland Belgien hat man es beispielsweise mit dem „Belgischen Rückerstattungsmodell“ geschafft, einen deutlichen Rückgang von Mehrlingsschwangerschaften zu erzielen. Bei den ersten beiden IVF-Befruchtungsversuchen wird im Uterus der Frau dabei jeweils nur ein Embryo eingepflanzt. Führen diese Therapien nicht zum erhofften Wunschkind oder ist die Frau älter als 37 Jahre, werden zwei befruchtete Eizellen implantiert.
Weil diese Methode deutlich kostengünstiger ist, haben belgische Frauen ein Anrecht auf eine Kostenübernahme von bis zu sechs Behandlungsversuchen.
Eine Lockerung des Gesetzes? Das verspricht die Zukunft
Viele Regelungen im Embryonenschutzgesetz sind umstritten. Neben vielen betroffenen Paaren versuchen daher auch einige Reproduktionsmediziner, durch Lobbyarbeit das Embryonenschutzgesetz zu reformieren. Gefordert wird nicht nur eine Lockerung des Verbotes von Eizellspenden, das Vereinfachen von künstlichen Befruchtungen bei lesbischen Paaren oder der Einsatz des „elective single embryo transfer“, sondern auch ein Ermöglichen wichtiger Grundlagenforschung, etwa im Bereich des „Genome editing“, um Unfruchtbarkeit vorzubeugen.
Daher ist zu erwarten, dass sich in den nächsten Jahren in Deutschland viel auf diesem Feld verändern wird. Für Paare, die auf eine künstliche Befruchtung angewiesen sind, kommt dieser Umstand nur zugute. Denn bisher schrecken die strenge Gesetzgebung und das ungerechte Reglement viele Menschen ab, sich ihren Traum vom Kinderglück zu erfüllen.